Welcher Modefans träumt nicht davon, hinter die Kulissen der Modewelt zu blicken? Endlich mal einen Insider auszuquetschen: Wie ticken Modedesigner? Was ist mit den mageren Models? Wie realistisch ist die Designerwelt, wie wir sie etwa bei GNTM präsentiert bekommen?
Ich habe mich also sehr gefreut, als die ehemalige Modedesignerin Beate Richter sich zu einem Interview bereit erklärte, so dass ich sie ordentlich ausgefragt habe, zu allem, was ich rund um das Thema „Mode“ immer schon mal wissen wollte. Ihr habt also hoffentlich genauso viel Spaß beim Lesen wie ich beim Interviewen hatte!
1. Du warst das Gesicht der Stadt Berlin und hattest ein eigenes,
phänomenal schönes, Modelabel namens „beate richter“. Warum gibt jemand
sowas auf?
Weil
er nicht mehr kann. Dass ich damit nicht reich werden würde, habe ich akzeptiert, aber verhungern, fand ich dann doch zuviel Hingabe an die Kunst. Wenn es dann noch nicht mal moralische Anerkennung gibt, sondern die
„werte Kundschaft“ einem ins Gesicht sagt, dass sie alles zu teuer finden
und sich ja für den Preis im Internet drei Kleider kaufen könnten – nun,
dann haut man eben in´n Sack.
Ich habe hinterher gemerkt, dass es ein
richtiges Burnout war – habe über ein Jahr lang keine Nähnadel mehr
angefasst. Heute nähe ich nur für mich und für Leute, die es wirklich zu
schätzen wissen! (Danke an dich für das „phänomenal schön“!!!!)
2. Ist es der Traum eines jeden Designers für die Haute Couture zu arbeiten? Oder möchte jede/r mit einem eigenem Label erfolgreich sein?
Ich weiss nicht, was der Traum „eines jeden Designers“ ist 🙂 Ich kann nur für mich sprechen: Haute Couture war für mich unerreichbar. Und als ich fertig war mit Studieren, verlagerten die deutschen Modefirmen gerade ihre Produktionen ins Ausland und ganz schnell verschwanden auch die dazugehörigen Entwurfsabteilungen. Da war das eigene Label eine Flucht nach vorn. Dass es die falsche Richtung war, steht auf einem anderen Blatt.
3. Was ist dein Rat an Frauen, die sich selbstständig machen wollen?
Habt
ein Vermögen im Rücken! Und Beziehungen! Den passenden
gesellschaftlichen Hintergrund – bei Mode zum Beispiel die wohlhabenden Freundinnen eurer Mutter oder einflussreiche Journalisten in der Familie
– Multiplikatoren. Gibt’s das nicht – lasst es. In anderen Branchen kann ich nicht mitreden……
4.
Die Frage aller Fragen: warum stellen Modemacher Kleider her, die den wenigsten Frauenkörpern entsprechen? Warum versuchen sich erwachsene
Frauen dieser Kleidung anzupassen und kaufen bei diesen Labeln?
Teil
1: Die meisten Modemacher sind Männer, die meisten davon schwul. Die
haben soviel Ahnung von Frauen wie eine Weinbergschnecke vom Fliegen. Sie
machen auch keine Kleider für Frauen – die leben ihre künstlerischen
Ambitionen aus. (Ausnahmen bestätigen auch hier die Regel.)
In der industriellen Herstellung kommt noch der Sparzwang („100€ für ein Kleid – biste irre!“) dazu:
je
ausgeformter und substanzieller ein Kleidungsstück, umso teurer ist
die Herstellung – einen Jerseyschlauch näht man in zwei bis vier Minuten zusammen –
ein gefüttertes kleid aus richtigem Stoff mit Abnähern an den richtigen Stellen, Taschen etc. braucht schon wesentlich länger. Dann passt es
genau einer Frau – derjenigen, der man es auf den Leib geschneidert hat 🙂
Teil
2: Da kann ich nur spekulieren. Masochismus? Dieses typisch weibliche,
sich ewig ungenügend fühlenende und hart an der Perfektion arbeiten müssende? Und der Triumph, wenn man es geschafft hat in Size Zero zu passen? Und die
fette Kuh von Nachbarin/Vorgängerin/Kollegin/Schwester schafft es nicht?????
5. Warum dominieren vor allem männliche Designer die Frauenmode?
Ich habe keine Ahnung! Vielleicht investieren Geldgeber lieber in Männer – möglicherweise, weil sie durch die Bank selbst welche sind???
Aber wenn man meint, dass die Industrie sich nach den inneren Bedürfnissen der Kundschaft richtet, dann ist man auf dem Holzweg – egal ob Mode, Autos oder Möbel – Bedürfnisse werden erzeugt. Mittels Werbung – und die ist selten als solche gekennzeichnet….. (ich rede hier nicht von Blogs!)
6. Auch ein Karl Lagefeld muss dafür sorgen, dass bei Chanel die Kasse klingelt. Ansonsten runzeln die Besitzer, die Gebrüder Wertheimer, sicherlich die Stirn. Chanel bedient in seinen Entwürfen ja sehr stark den asiatischen Markt wie China, Japan und Korea mit Anleihen an Manga und den süße Mädchen-Stil. Wieviel „Kunst“ und wieviel Markt steckt in deinen Augen in den Chanel-Kollektionen?
Fifty-fifty würde ich sagen. Viel kriege ich ja nicht mit so von ganz hinten im Stehrang – aber was ich sehe, ist immer grossartig. Kunst muss ja nicht zwingend brotlos sein 🙂
7. In den 20er Jahren, eine meiner liebsten Epochen in Deutschland, war Mode ein Knaller in Berlin. Auch damals gab es eine Tendenz zum knabenhaften Schönheitsideal bei Frauen mit dünnen Lippen und wenig Busen.
Daneben existierte aber die Frau mit kurzen Beinen und langem Oberkörper. Aktuell gelten in der westlichen Welt Frauenkörper ohne Kurven, mit viel Busen und Schlauchlippen sowie das Ideal aus Pornofilmen von Nullkörperbehaarung als „schön“.
Siehst du das auch so? Und wieso orientieren Frauen sich daran und spielen mit? Wer setzt diese Normen?
Gute Frage – ich frage mich das auch. Es ist ja nicht so, dass die Stilpolizei bei den Leuten vor der Tür steht und sie mit vorgehaltener Waffe dazu zwingt, sich so-und-so zurechtzumachen…… Meine Meinung dazu ist Folgendes: Selbstbewusstsein ist viel spärlicher vorhanden als man gemeinhin annimmt. Da kommt jedes Vorbild recht – und der, der am Lautesten schreit, am Stärksten auftritt, wird am meisten gehört. Von Männern und Frauen. Na, und dann neigen wir Menschlein auch noch zur Herdenbildung, dazuzugehören ist den Meisten sehr wichtig, also versucht man, sich anzupassen an den Stil der Mehrheit – die dadurch natürlich immer grösser wird. Individualismus und freier Wille sind ein schönes Ideal – aber dem wirklich zu folgen, verlangt sehr viel Mut und Kraft. Und das Bewusstsein, dass man manipuliert wird – logischerweise.
8. Stichwort beeinflussen. Blogger gelten ja auch als „Beeinflusser – Influencer“. Warum bloggst du auf „Bahnwärterhäuschen„?
Als kreatives Outlet. Ich würde mir sonst viel zuviele Klamotten nähen. Oder gar das Malen anfangen – aber da ist das Material so teuer ;-P
9. Was war die blödeste Erfahrung, die du bisher als Bloggerin gemacht hast?
So richtig blöde Erfahrungen hab ich noch gar nicht gemacht! 3x Holz! Ich hoffe, dieses Interview ist nicht die erste 😉
10. Warum liest du meinen Blog?
Weil
du schlau bist und Humor hast und deine Anzüge besonders und besonders
schick sind. Und das ist kein Süssholzgeraspel – schliesslich gibt’s
genug Auswahl in Blogland. Nur deine Flüchtigkeitsfehler im Text treiben
mich manchmal auf die Minipalme – aber ich glaube, dass ist einfach
deiner Vielbeschäftigung geschuldet.
11. Was ist dein liebstes Kleidungsstück?
Dirndlröcke.
Gehen immer, passen immer. Man kann sie je nach Anlass in den
diversesten Stoffen machen, zu verschiedensten Stilen kombinieren und
ich fühle mich darin perfekt angezogen – inklusive maximaler Bewegungsfreiheit und Taschen!
12. Können Frauen anderen Frauen Erfolg gönnen?
Ich
kann da nur für mich reden – ich kann sehr gut! Aber ich habe auch schon
Frauen gekannt (genau – Vergangenheit), die mit einem Erfolg meinerseits
so gar nicht zurechtkamen und dann sehr garstig wurden………
13. Wie beschreibst du dein jetziges Leben in drei Adjektiven?
glücklich, ruhig, nachhaltig.
Liebe Beate, vielen Dank für das Interview!
Wer Tippfehler entdeckt, darf die im Kommentar gern melden, sollte ich nach dreimal durchlesen immer noch etwas übersehen haben!
Wer noch mehr Fragen an Beate hat, bitte einfach am besten unten im Kommentar posten.
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