Wer von euch hat nicht diesen Satz schon benutzt: Da musst du jetzt das Beste daraus machen? Du meine Güte, vermutlich habe ich mich seit Beginn von Corona seit Monaten damit durch die Monate geschubst. Da müssen wir jetzt durch. – Schule geschlossen? Da müssen wir jetzt durch. Einkommen weg? Da muss ich jetzt das Beste daraus machen. Urlaub absagen?
Frankfurt droht seit ein paar Tagen der Status eines Risikogebiets, wir können nur mit einem negativen Test nach Nordfriesland reisen – da müssen wir jetzt durch. Machen wir das Beste draus. Sehe das mal positiv, immerhin klappt die Reise. Ja. Das stimmt alles. Aber. Und jetzt kommen wir zum großem Aber, über das ich mit euch hier auf Ob Style heute reden möchte – dem zwanghaft positiven Denken.
(Update: Frankfurt ist jetzt Risikogebiet, unser Test war negativ.)
Denn: Was ist mit all dem Frust, den das mitbringt? Woher nehme ich die zusätzliche Energie dafür, zwei Tage vor Abreise nochmal vorm Testcenter zwei Stunden zu warten?
Woher nehme ich die Energie, nach dem Urlaub in einem geschlossenen Raum mit sechs Personen über sechs Stunden ohne Maske mich aufzuhalten? Bei diesen Temperaturen regelmäßig den Raum zu lüften? Wo bleibt der Raum dafür, mich mal zu fragen, wie es mir damit geht? Wie sich das anfühlt? Wo bleibt der Raum dafür bei euch? Gesteht ihr ihn euch zu?
Lesezeit: 1:25 Minuten
Tatsächlich habe ich die Erfahrung gemacht. dass wir allzu oft unseren negativen Gefühlen zu wenig Platz lassen. Damit meine ich jetzt nicht endlose Jammerei. Nein. Aber einfach zu sagen, wie es mir mit einer Situation geht. Einfach zu sagen, Mensch, heute bin ich aber irgendwie traurig oder ärgerlich. Weil die Lage tatsächlich stressig ist.
Für den ersten Mittwoch versuche ich mir rund um das Thema “Mut” immer etwas auszudenken, was mir so täglich unterkommt. Was ich lese, oder was mir andere Frauen berichten aus ihrem Leben.
Schon lange liegt mir etwas auf dem Herzen. Ihr kennt doch sicherlich den Spruch “Mach das Beste daraus”?
Diese Aufforderung, positiv zu bleiben, die Dinge optimistisch und zuversichtlich anzugehen? Kürzlich lass ich einen Artikel über “Toxic positivity”, zwanghaft positiv denken, im der Washiongton Post . (Link evtl nur für Abonnentinnen) Doch dieser gesellschaftliche Zwang, dauernd gut drauf zu sein, “Das Beste daraus zu machen müssen”, tut uns gar nicht gut.
Eine gesunde Seele braucht Raum für alle Gefühle
Alles wird gut. Es könnte schlimmer kommen. An Platituden mangelt es selten, auch, wenn sie wohl gemeint sind, wenn es um zwanghaft positiv denken geht
Doch wo bleibt der Platz für Traurigkeit, enttäuscht sein, Wut, Ärger, Neid, Hoffnungslosigkeit? Erwachsenen Frauen wie euch brauche ich nicht zu sagen, dass eine gesunde Seele, Raum für die “negativen” Seiten des Lebens braucht.
Gerade In der aktuellen Lage, in der Menschen ihre Arbeit oder wie ich, große Teile ihres Einkommens verlieren, ist es wenig menschenfreundlich, denen mit “positiv bleiben” zu kommen. Zwanghaft positiv denken zu müssen schadet, weiß nicht nur die katholische Kirche. Auch die Wochenzeitung “Die Zeit” schreibt, dass zwanghaft positiv, intolerant gegenüber anderen Menschen macht.
Was ist Toxic Positivity? Zwanghaft positiv denken?
Zuviel erzwungene Positivität ist nicht nur wenig hilfreich. Zwanghaft positiv Denken schadet auch. Dabei sei es natürlich gut, sich eine positive Einstellung zu bewahren. Aber “erzwungene Positivität” kultiviert die Idee, dass wir halt einfach das Beste aus allem machen müssten und nicht auf das Negative schauen sollten.
Negative Erfahrungen würden dabei abgewertet, positive überbewertet. Das sei dann aber so, als würden wir uns besonders viele Eiskugeln gönnen. Weil die uns ja so erfreuen. Dabei vergessen wir, dass es auch Übelkeit auslösen kann, zu viel Eis zu verputzen.
Wenn mir also nach jammern ist, weil ich gerade wirklich in einer schlechten Phase stecke, etwas Schreckliches erlebt habe, und dann hält mir jemand die Eiskugeln ins Gesicht, werde ich mich ganz sicher nicht besser fühlen. Eher noch schlechter, durch den Druck, den zwanghaft positives Denken nämlich ausübt.
Wichtig ist, negative Emotionen zu verarbeiten. Wenn ich aber höre, alles wird wieder gut, dann bedeutet das, es gibt gar kein Problem.
Wie fühle ich mich heute?
Vor allem in jetzigen Zeiten ist es absolut unnatürlich, immer positiv zu sein oder “das Beste daraus machen zu wollen.” Das können sich nur sehr wenige Privilegierte leisten.
Die Folgen des zwanghaft positiv Denken? Wir verurteilen uns dafür, dass wir Angst haben oder traurig sind und fühlen uns schlecht, weil wir uns schlecht fühlen.
Daher arbeite ich seit einiger Zeit daran, zu lernen, meine negativen Gefühle zu zulassen.
Niemand braucht mir also mit dem Spruch zu kommen “Happiness is a choice”. Einer der giftigsten Sprüche überhaupt, wie ich finde. Weil er suggeriert, dass du halt nur dein Mind set umpolen musst. Konsequenz? Siehe oben!
Ich habe also angefangen zu sagen: “Okay, heute bin ich nicht okay”. Am Hilfreichsten fand ich den Zusatz: es ist auch okay, dass du im Moment noch einmal weißt, was du mit dir anfangen sollst.
Und sich zu fragen: Wie verhalte ich mich, wenn ich glücklich bin?
Was soll ich euch sagen? Es erleichtert mich so sehr, endlich traurig herumlaufen zu dürfen. So schnell ist dieses Gefühl noch nie verschwunden. Das Allerbeste: Es macht mich glücklich, traurig sein zu dürfen. Paradox, was? Ist aber so.
Nebenbei: Ein sehr inspirierender Account auf Twitter zum Thema von Sayantan GhKlosh.
Last but not least natürlich noch ein paar Worte zum heutigen Look. Stiefel sind angesagt, und die finde ich zum wadenlangen Rock gerade sehr schön. Bei 16 Grad trage ich natürlich eine Jacke über dem Leo Seidenrock: etwa eine dicke Strickjacke
Welche Gefühle beschäftigen euch aktuell am meisten? Und was tragt ihr als Übergangslook am liebsten? Meerblaue Grüße
-Sabina
Weiterlesen: Wie sehr hänge ich an Schönheitsbehandlungen?
HappyFace313
🙂 Liebe Sabina,
ich bin längst drüber hinweg alles positiv sehen und danach handeln zu müssen!
Es ist so befreiend, wenn man seinen Gefühlen freien Lauf lassen und gern auch mal ein paar Tränchen verdrücken kann. ich schäme mich nicht dafür!
Schöner Look – die grüne Tasche dazu ist ein Traum. Mir sind allerdings Stiefel noch viel zu warm…
Schönen Abend und liebe Grüße
Claudia
Nancy
There are a lot of people who can talk themselves into a depression. So for them it’s important to stay positive I guess. I’m positive by nature, but sometimes I have my days. And I defenitely don’t want to hear, everything is going to be okay then. I know it will, someone doesn’t have to tell me! Have a great day Sabina!
Claudia
Hallo Sabina,
manchmal ist es einfach Sch… und dann ändert es auch nichts, dass ich es mir schön rede. Im Gegenteil, dann widerspreche ich ja meinem eigenen Denken.
Man hat auch das Recht, wütend, unglücklich und traurig zu sein und dann ist das bitte meine Sache. Wenn ich aber sauer bin, dann versuche ich, dass es bei mir bleibt und ich nicht andere mit meiner Laune anstecke.
Aber das ewige zuckersüße alles positiv, wenn es es gar nicht so ist, nein, das mach ich nicht mehr (mit).
Liebe Grüße
Claudia
Nicole
Liebe Sabina,
ich versuche, sehr viel (das bedeutet längst nicht alles) positiv zu sehen. Das hat aber auch damit zu tun, dass ich für mich dann Dinge besser akzeptieren und be- und verarbeiten kann.
Das bedeutet allerdings nicht, dass ich wie ein Eichhörnchen auf Speed grinsend durch die Gegend rase. Nein, ich kann auch traurig, heulen und wütend oder ratlos sein.
Aber ich finde für mich auch wichtig, dass ich mich immer wieder aufrichten kann. Das erreiche ich für mich, wenn ich versuche an Sch***tagen mir die kleinen schöneren Dinge ins Gedächtnis zu rufen.
Natürlich ist das bei lebensrelevanten Dingen wie Gesundheit, Einkommen und dergleichen nur schwer möglich. Das muss es aber auch gar nicht.
Ich finde, wenn man es so formuieren kann, den Mittelweg gut. Also auch im Schlamassel noch sehen, was gut war. Für die eigene Balance und das nicht aufgeben.
Ich hoffe, du verstehst.
Liebe Grüße
Nicole
Petra von FrauGenial
Ich finde man muss die negativen Gefühle zulassen, und nicht unterdrücken..so kann man sie am besten verarbeiten. Danach geht es einem ja auch viel besser. Bei mir ist es gerade glaube ich wetterabhängig. Ständig dieser Regen, diese Temperaturen, kaum Sonne, da schlägt es schon auf dem Gemüt und ich bemerke wie schnell ich reizbar werde, und wirklich von 0 auf 180 an die Decke gehe. Das fällt mir selbst noch nicht mal auf, sondern mein Umfeld…Deshalb ich arbeite daran, und wenn es mir nicht gut geht dann ist das so. Und irgendwann geht es mir dann besser.
Sabine Gimm
Klar, man muss auch einmal seinen Frust zulassen. Es gibt einfach Tage, denen kann man wirklich nichts Positives abgewinnen. Im Großen und Ganzen bin ich allerdings ein Optimist.
Liebe Grüße Sabine
Uli
“Denk doch mal positiv!” 🙄. Nee, du sprichst mir aus dem Herzen 👍! Ich komme zwar mit den “Einschränkungen” gut zurecht. Aber mein Einkommen ist auch weggebrochen und der Antrag läuft und läuft, weil die Trinen im Büro nicht mal Maulanhänge und Weiterleitung lesen können. Derzeit ko… ich mich auch ziemlich auf meinem Blog aus. Meine aktuelle fiktive Bewerbung kriegen die noch vorgelegt, wenn es durch ist. Dann denken wir mal positiv 🤭
Erika Magdalena
Liebe Sabina,
natürlich darf man über negative Dinge, die einem widerfahren, schimpfen, frustriert und traurig sein.
Dieses aufgestzte positive Getue geht mir sowieso auf den Geist. Aber dann sollte man Dinge, die man nicht ändern kann, einfach annehmen und versuchen, das Beste daruas zu machen…..
Viele Grüße
Erika