❶ EIN HUND BRAUCHT KEINE MODE
❷ LEINE UND HUNDESCHULE
Am Anfang habe ich mich vor Sorge kaum getraut Kelly mit anderen Hunden zusammen zu führen, weil in unserem Bekanntenkreis so schreckliche Geschichten von üblen Beissereien unter Hunden kursieren. Nicht aus der Luft gegriffen: ein akuter Fall ereignete sich in meiner Nachbarschaft und die kleine Bulldogge, die am Auge gebissen wurde, traf ich dann beim Tierarzt.
Viel von meiner Sorge genommen haben mir unsere Kurztrips an die Nordsee in Zeeland. Die holländische Küste ist ein Hundeparadies. In der Weite sammelten wir Erfahrung und Vertrauen.
Hund adoptieren? Wann lasse ich den Hund also von der Leine? Dann, wenn ich mich dazu bereit fühle. Beim ersten Mal habe ich innerlich schon gebangt. Doch je öfter sie folgte, wuchs das gegenseitige Vertrauen. Ich kenne jetzt ihr Verhalten und bin dennoch weiterhin auf der Hut. Denn, wie meine Hundetrainerin meinte, ist ein Hund halt ein Lebewesen und nicht 100 Prozent kontrollierbar.
Auf die Hundeschule hätte ich nicht verzichten wollen. Ich hatte sechs Einzelstunden gebucht, weil ich alle meine Fragen loswerden wollte. In der Hundeschule hat sie natürlich immer ihr Engelsgesicht gezeigt. Das letzte Mal habe ich ihr aber auch geraten, folgsam zu sein und mich beim “Pfötchen geben” vor der Trainerin nicht zu blamieren. Und was passierte? Hunde sind ja kleine Schleimer und schlau. Kelly legte die beste Pfötchenübung bisher ab. *lach*
❸ ÜBUNGEN
Ich übe Pfötchen nicht, um einen Zirkushund zu dressieren, sondern damit Kelly sich anfassen lässt beim Friseur. Sie ist nicht aggressiv, aber halt sehr vorsichtig fremden Situationen gegenüber. Wenn ich dabei bin, lässt sie manches Geschehen. Aber beim Friseur braucht es eine erfahrene Hand.
Immerhin hat der erste Friseurbesuch ganz gut geklappt, auch wenn die junge Dame leider nicht genug Autorität hatte, um ihr die Pfoten und das Gesichtchen richtig schneiden zu können.
Aus Jux und Spaß übe ich mit ihr jetzt neuerdings Hindernisse überspringen, weil Kelly so eine enorme Sprungkraft hat. Leider versagt Frauchen noch bei den Hindernissen, die momentan noch aus zwei Stofftieren bestehen. Kelly guckt dann immer so komisch, weil sie sich fragt, warum in aller Welt ich will, dass sie über die doofen Stofftiere steigt, um sich ihr Leckerli abzuholen. ???
Inzwischen benutzen wir die richtige Schleppleine gar nicht mehr, sondern nur noch die normale Alltagsleine von etwa zwei Metern, die sie auch hinter sich herzieht in unserer Wohngegend. Vieles von dem, was ich mache und wie ich es mache, sind eigene Ideen.
Hund adoptieren, einen Straßenhund aus Rumänien retten:
Auf vieles muss man allein kommen. So banal das jetzt auch klingen mag.
Wie? Indem man halt so gut es geht, den eigenen Hund kennenlernt. Und sich immer daran erinnert, dass es sich um ein instinktgesteuertes TIER handelt und nicht um ein kleines Kind.
Sei der adoptierte Hund auch noch so süß.
Was für ein Hund ist das? Aufgeweckt, ängstlich, abgeklärt? Je entspannter der Hund, desto leichter das Kämmen, Bürsten, Krallen schneiden. Ansonsten kostet es Zeit und Energie, den Hund zu entspannen. Ich habe die Fellpflege mittlerweile in den Abend verlegt, wenn die Schmusestunde angebrochen ist. Sie denkt ja mit und so arbeiten wir uns Stück für Stück voran. 🙂
❹ WAS BEDEUTET ES, EINEN HUND ZU ADOPTIEREN?
Mit Kelly haben wir das große Los gezogen. Sie ist nicht traumatisiert und hat offenbar keine schlimmen Erfahrungen gemacht. Aber das können wir nur vermuten. Ich hatte euch ja in meinen ersten Posts erzählt, was sie für eine Angst vor Männern hatte. Sogar vor meinem eigenen anfangs, was besonders herzzereißend war. Inzwischen sind Kelly und er ein Herz und eine Seele. Herrchen ist ‘ne Wucht.
Doch es bleibt immer eine Unbekannte. Kelly ist nicht verhaltensauffällig. So einen Hund sich zuzulegen, sollte sich wirklich jeder mehr als gut überlegen. Es ist absolut lobenswert, einem Hund aus dem Tierheim ein neues Zuhause zu bieten. Nicht jeder Hund aus dem Tierheim ist verhaltensauffällig oder hat Schlimmes erlebt.
Aber ich kann nur jedem inständig raten, sich zu prüfen und zu fragen, ob er sich den Herausforderungen auch gewachsen fühlt. Reine Tierliebe reicht dafür nämlich nicht.
Warum ich das jetzt so sage? Weil meine Nachbarn zwei Hunde in ihrer achtzig Quadratmeter Wohnung halten und meine Nachbarin leider nicht in der Lage ist, einen ihrer Hunde wirkungsvoll zu erziehen. Auf sie hört der “Problemhund” schlicht nicht. Er hat auch die Auflage, einen Maulkorb zu tragen. Den die Dame ihm aber in der Praxis nicht anlegt.
❺ ANDERE HALTER
Ja, mit anderen Haltern lässt sich einiges erleben. Da sind zumal die Grüßer und die Nicht-Grüßer. Die Mürrischen und die Plauderer. Meine liebsten sind die schnell Beleidigten. Wenn Kelly desinteressiert ist an ihrem Hündchen (sie findet größere Hunde toll), dann nehmen die das gleich persönlich. Ich umgekehrt übrigens natürlich nicht auch…*lach*. Wie kann diese kleine, wollige Wurst es wagen….
❻ KRANKHEIT UND KOSTEN
Hund adoptieren:
Obwohl Kelly also so ausgeglichen und umgänglich ist, ist sie nicht ohne Herausforderungen. Und die heißen Gassi. Einige Male in den vergangenen sechs Monaten war ich morgens um drei oder vier Uhr mit ihr draußen, weil sie auf der Straße alles frisst, was nicht niet- und nagelfest ist. Ich trainiere mit ihr, damit Kelly das langfristig lässt. Es ist auch schon besser geworden, ganz weggehen wird es vermutlich nie. (Doch, es hat sich gelegt, nachdem sie gemerkt hat, dass sie genug zu Fressen täglich bekommt und satt wird.)
Letzen Monat war bisher der größte Schrecken: Kelly hatte über 40 Grad Fieber und ich war mit ihr jeden zweiten Tag beim Tierarzt, der sie mit Antibiotika und Spritzen gut behandelt hat. Das hat eine Menge Geld gekostet. Darüber beklage ich mich nicht. Aber: Ein Hund kostet Geld und die Tierarztkosten sind ja gerade enorm gestiegen.
Aber auch einen Hund zu adoptieren, kann im Zweifel ganz schön teuer sein. Ich habe von Züchtern gehört, die vermitteln ihre Welpen nicht an Leute, die sich zuerst nach den Kosten erkundigen. Das verstehe ich jetzt viel besser als früher. Wenn das die wichtigste Frage bei einem ist, dann können sich die Personen ein Tier vermutlich nicht leisten. Und es wäre verantwortungslos, eine Katze oder einen Hund in solche, wenn auch liebevoll-gemeinten, Hände zu geben.
Bei ihrem Fieber haben wir erst nicht verstanden, warum Kelly nach einem Tag voller Herumtollens am Strand plötzlich viel stiller war. Weil wir damit keine Erfahrung hatten.
Kelly ist enorm lebhaft Zuhause, sammelt die Tempos aus den Ecken, um sie sorgfältig in kleine Streifen zu zerfetzen. Nach drei Tagen kam es mir nach drei Tagen komisch vorkam, weil sie so still blieb. Sie war um die Schnauze total heiß und jetzt weiß ich, dass die Lefzen dann auch heiß sind, wenn ein Hund fiebert.
Weil Kelly zu Durchfall oder besser gesagt, Verdauungsauffälligkeiten neigt, füttern wir Reis (als Sättigungsbeilage) und Nassfutter. Leider trinkt sie nicht immer genug, was dann zu Verstopfung führt. Wenn ich etwas von ihrem Nassfutter ins Wasser rühre und Trockenfutter reinplumpsen lasse, ist sie zum Trinken gezwungen. Sie hat also einen sehr empfindlichen Magen, und wir wissen einfach nicht, was früher war.
Als wir Kelly bekamen, war sie immer noch schrecklich dünn und abgemagert. Die Tierärztin führte mich in die Irre mit ihrer Aussage, dass sie nicht zunehmen bräuchte und dachte vermutlich an all die Dickerchen, die da draußen elendig ihr Dasein frissten. Doch der Hundetrainerin fiel Kellys Untergewicht auch auf und zum Hundeglück gab es daher eine Weile mehr zu fressen, so dass Kelly nicht nur zugenommen hat, sondern wir sie tatsächlich satt bekommen und sie weniger schlingt.
❼ ALLEINSEIN UND ALLTAGSKRAM
Das Alleinsein war anfangs natürlich emotional, für alle Beteiligten. Wir haben Kelly so gut wie nie komplett allein gelassen, sondern jeder hatte mal Hundedienst. Ich will sie auch selten allein lassen, weil ich gern mit ihr zusammen bin. Geholfen hat, dass ich nur an drei Tagen vormittags weg bin. Zur Ablenkung bekam sie ihren Kong zum Schlecken. Mittlerweile schleppt sie ihre Stofftiere in den Flur und döst vor sich hin.
Unsere Smartphones und Laptops betrachtet sie als ihre natürlichen Feinde.
Außenstehende mögen das nun gleich als verwöhnt bewerten. Aber das Leben mit einem Hund aus dem Tierheim ist auf seine Art besonders und für uns passt es so.
Die neueste Herausforderung, die uns alle erwartet ist im Korb mit Frauchen Fahrrad zu fahren. Ich sehe ihr skeptisches Köpfchen schon vor mir. Das wird ein Spaß! Update: Radl ist super easy.
❽ WAS MACHT DAS MIT MIR?
Einen Hund zu adoptieren, hat mein Leben total verändert und auf den Kopf gestellt. Kleine Kostprobe? Ich bin jetzt Frühaufsteherin. Vieles von dem, was passiert, ist so neu, dass ich quasi in den Erziehungsurlaub gegangen bin. Seit Januar habe ich mir bis jetzt zum Sommer gegeben, um uns allen Zeit zu lassen für das neue Leben, das mit ihr begonnen hat.
Immer wieder kommt der Vergleich zum Kinder kriegen. Das ist ziemlich nah dran. Mit dem einen Unterschied, dass der Hund für immer von der abhängig ist und nie aus dem Haus geht. Die Verantwortung ist immer da.
Einladungen? Wenn ich Kelly mitnehmen kann. Es macht mir einfach weniger Spaß, sie Zuhause zu lassen. Damit wir uns richtig verstehen. Ich will das so. Neulich waren wir in einen Schrebergarten zum Grillen eingeladen, aber dort sind keine Hunde erlaubt. *Hmpf* So sehr ich mich über die Einladung bei netten Bekannten freute, so viel weniger Spaß macht das Grillen.
Andere Hobbies? Theater spielen habe ich vorerst zurückgestellt. Auch die Blogaktivitäten sind gebündelt, wie ich euch schon vor kurzem schrieb. Wir haben gerade von einer anderen Hundebesitzerin, Kellys Freundin Molly, einen super Tipp für eine Hundepension bekommen. Mollys Frauchen hat in New York gelebt, ist Flugbegleiterin und hat uns schon aufgeklärt, unter welchen Bedingungen Hunde mit ins Flugzeug können. Denn ich möchte Kelly unbedingt mit nach San Diego nehmen. Aber das ist Zukunftsmusik. Aktuell muss ich gerade mein neues Schlafdefizit verarbeiten, weil sie heute Nacht um vier Uhr wieder vor die Tür musste.
❾ KELLY KOOL
Kelly ist total cool im Umgang mit anderen Hunden. Wenn sie einen nicht mag oder es ihr zu bunt wird, mit aufdringlichen Artgenossen, setzt sie sich einfach ins Gras. Dann verduftet der Kollege meist schnell. Aber eigentlich ist sie total aufgeschlossen. “Hallo, kennen wir uns? Ich bin Kelly”, damit lässt sich ihr umgängliches Wesen auf den Punkt bringen. Kelly ist unerschrocken, entdeckungsfreudig und eine Anführerin. (Leine!:))
Sie hat mit uns gerade unseren Hochzeitstag gefeiert. Zuhause hat sie ein schönes Bettchen, schläft bevorzugt im Sommer aber auf dem Laminat oder im Sessel. Kelly darf bei uns Zuhause eine ganze Menge. Aber sie bekommt Nullkommanix vom Tisch, darf nicht betteln und muss sich bei anderen Leuten in der Wohnung benehmen. Da gibt es kein Vertun. In der Regel schnuppert sie alles ab und haut sich dann gelangweilt auf ihre Decke, die ich für sie mitnehme zusätzlich zu ihrem Spielzeug.
Kelly ist heimisch geworden und entspannt sich immer mehr. Neulich fing sie an, Stöckchen herumzuschleppen. Sie hat am liebsten ihr komplettes Rudel um sich. Wenn einer von uns nach Hause kommt, rast sie zum anderen, damit der nicht trödelt und schnell die Tür öffnet. Dann müssen wir drei uns erstmal gemeinsam begrüßen. Sie ist eine Zusammenführerin. Auch bei ihrem Spielzeug. Kelly spielt eine Weile mit dem einen, dann zum Ausgleich mit dem anderen.
Und wenn sie als Tierheimhund jetzt ohne Leine durch das Gras im Park hopst, dann bin ich sicher, dass Kelly dabei lächelt. Sie ist bei uns der Star, aber ihren eigenen Instagram-Account hat sie nicht und braucht sie auch nicht.
Auf Pinterest habe ich natürlich ein Board mit allen Nützlichen und Unnützlichen rund um den kleinen Hund eingerichtet, was ich selber ausprobiert und für hilfreich erfahren habe. Also beispielsweise das Rezept für eine Möhrensuppe bei Durchfall oder 5 Tricks für mehr Aufmerksamkeit, die auch meiner Philosophie entsprechen, das heißt, Vertrauen aufbauen. Wenn Kelly mich anschaut, nicke ich ihr immer zu. Und was meint, ihr wie sehr ich dieser Definition eines “Frauchens” entspreche, die ich auf Pinterest gefunden habe? *lach*
Update: Nach fünf Jahren bin ich zur Hundeschule von Martin Rütter. Das war mal eine Investition, die sich gelohnt hat, denn dann ging die Erziehung erst richtig los. Genau genommen hört sie auch nie richtig auf.
Was ich über Hunde Erziehung gerne schon früher gewusst hätte
- Dem Hund nach der Ankunft im neuen Zuhause unbedingt in Ruhe und zur Ruhe kommen lassen.
- Hundeschule, Hundeschule, gute Hundeschule.
- Den Hund auch mal ignorieren, ihm nicht zu viel Aufmerksamkeit schenken. Je weniger Worte, desto besser für den Hund!